Meta – bewusst, last, lost

Wie ticken wir so als Menschen? Und wie entwickeln wir uns? Ich fand diese Fragen schon länger sehr spannend. Und wie alle optimierungsaffinen Arbeitsmenschen habe ich natürlich geschaut, was die Literatur so bietet. Und da findet sich einiges: Graves, Ken Wilbers‘ Integrale Theorie1, Spiral Dynamics2, Frederic Laloux’s „Reinventing Organizations“3 oder STAGES4

Diese Modelle haben alle ihren Reiz, auch wenn einigen der unangenehme Geschmack der Nichtnachweisbarkeit anhaftet (z.B. Spiral Dynamics5). Unangenehm ist auch, dass diese Modelle Stufen vorgeben, die wie bei den Olympischen Spielen eine magische Anziehungskraft auf wettbewerbsorientierte Geister auslöst. Und so ist es selbstverständlich, dass die Besten im Fach natürlich „teal“, „gelb“, 4.0, 5.5 – ach, komm – 10.0, „erleuchtet“, ganzheitlich und im vollen Bewusstsein sind… Stufen und Ego, passen irgendwie zusammen, bis hin zum spirituellen Narzissmus.

Ich bin dankbar für Modelle wie STAGES, die sich auf die Beobachtung und Beschreibung von voneinander abgrenzbaren Stadien der persönlichen Entwicklung begrenzen. Das Modell hat bei mir eine Faszination für die Fähigkeiten unseres Geistes geweckt. So entwickeln Menschen in späteren Stadien neben einem hohen Reflexionsgrad einen flexibleren Umgang mit Menschen früherer Stadien. Faszinierend, nicht wahr? Und noch später entsteht ein gedanklicher Raum, der im Modell als „metabewusst“ bezeichnet wird.

Dieses Metabewusstsein wird anscheinend von vielen Menschen mit „Erleuchtung“ und „Besonderheit“ assoziiert, quasi der heilige Gral der Persönlichkeitsentwicklung. Dieses Stadium soll etwas sein, was Menschen unbedingt erreichen und natürlich auch erreicht haben wollen (ja, da ist er wieder, der olympische Egogedanke).

Ich frage mich wirklich, woher diese Gedanken kommen. Der Eintritt in dieses Stadium wird bei STAGES als rezeptiv beschrieben. Das heisst, dass neue Eindrücke spontan entstehen und einfach nur wahrgenommen werden können – ähnlich wie ein Baby, das zum ersten Mal Farben oder Geräusche wahrnimmt. Eindrücke können (müssen aber nicht) beängstigend sein. In jedem Fall bedarf die metabewusste Ebene eine andere Auseinandersetzung und Reflexion. Mit wem redet Mensch dann darüber? Und wie? Wann?

Wir leben in einer Welt, die von multiplen Krisen geprägt ist. Viele Menschen nehmen aus unterschiedlichen Gründen eine eher dichotome Sichtweise auf das Geschehen ein und zeigen sich nicht unbedingt offen für gedankliche Diversität. Ich frage mich, woher Menschen im Übergang in ein Metabewusstsein die Energie nehmen sollen, wenn bereits im Alltag die Auseinandersetzung mit dieser (ab-)urteilenden, radikal simplifizierenden Welt sehr viel Ressourcen verbrennt.

Metabewusstsein ist spannend, ohne Frage. Es kostet aber Energie, weil neue Erfahrungen zu verarbeiten sind, die zwar im Alltag stattfinden, aber eben nicht von vielen geteilt werden. Die Einsamkeit in diesem gem(ein)samen Raum passt nicht so recht zu einer Welt, die in Freund/Feind, ich/du, Gut/Böse, … geteilt wird. Die Basisbedürfnisse eines jeden Menschen nach Sicherheit, Ruhe und Zugehörigkeit melden sich.  Leider kann Mensch so ein belastendes Metabewusstsein nicht einfach zurückschicken, weil der Rücksendeschein fehlt. Und so kann diese „Erleuchtung“ auch durchaus etwas werden, womit Mensch leben muss, weil wir uns das einfach mal nicht aussuchen können.

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  1. Siehe Webseite des Integralen Forums, Artikel Entwicklungshöhe; zuletzt gesichtet am 18.10.2024 ↩︎
  2. Beck, D.E., Cowan C.C. (2015). Sprial Dynamics: Mastering Values, Leadership, and Challenge. Blackwell Publishing, Malden (USA). ISBN 978-1-55786-940-1 ↩︎
  3. Laloux, F (2014). Reinventing Organiazations. Ein Leitfaden zur Gestlatung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit.Verlag Franz Vahlen, München. ISBN 978-3-8006-4913-6 ↩︎
  4. Siehe die offizielle Website https://www.stagesinternational.com/ ↩︎
  5. Eine Kritk findet sich in der „Wirtschaftspsychologie heute“, die hier zu finden ist: https://www.wirtschaftspsychologie-heute.de/spiral-dynamics-a-foolish-alternative-theory-about-human-evolution/ ↩︎